Die Käthe-Kollwitz-Realschule auf dem Weg zur inklusiven Schule
„Es ist normal, verschieden zu sein.“
Schon vor vielen Jahren haben wir uns auf den Weg gemacht Kinder und Jugendliche mit und ohne sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf gemeinsam zu unterrichten. All unsere Bemühungen zielen nicht nur auf eine gute schulische Förderung und gute Schulabschlüsse aller Schülerinnen und Schüler ab, sondern vor allem auch auf die Entwicklung eines sozialen Klimas, in dem Toleranz, Respekt und Empathie gegenüber dem ‚Anders sein‘ sowohl im Schulumfeld als auch darüber hinaus gelebt werden.
Auf dem Hintergrund der nordrhein-westfälischen Schulstruktur engagiert sich unsere Realschule im ländlichen Münsterland die mit dem Begriff Inklusion verbundenen Ziele umzusetzen, in dem Wissen, dass es sich hier um einen steten, sich ständig wandelnden Prozess handelt. Dies geschieht nicht reibungslos, Stolpersteine gibt es viele, manches erfordert pragmatische Lösungen. Aber die Bereitschaft aller am Schulleben Beteiligten, sich immer wieder auf neue Entwicklungen einzustellen und Konzepte im Interesse aller Kinder und Jugendlichen zu verändern und neu anzupassen, ist der Motor für eine auch zukünftig weiterhin positive Entwicklung. Messlatte waren und sind die Kinder und Jugendlichen. Wir möchten, dass sie sich willkommen fühlen, dass sie gerne in unsere Schule kommen und sich jeder seinen Möglichkeiten entsprechend entfalten kann.
„Es ist normal, verschieden zu sein.“ – Dieses Motto prangt in großen Lettern an der Wand unseres Schulgebäudes. Was ganz zu Beginn unserer Arbeit noch nicht abzusehen war, ist mittlerweile für alle Schülerinnen und Schüler, Eltern, Lehrkräfte sowie weiteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unserer Schule zur Selbstverständlichkeit geworden. Es hat sich gezeigt, dass sowohl die kognitive Leistungsfähigkeit aller Schülerinnen und Schüler als auch die emotionale und soziale Kompetenz entscheidend positiv beeinflusst werden.
Die Stärkung der Schulen, die sich so wie die Käthe-Kollwitz-Schule auf den Weg zur Inklusion gemacht haben, manchmal gegen viele Widerstände, sollte Anliegen aller gesellschaftlichen Entscheidungsträger sein.
Wir wünschen uns, neben diesem Engagement Vieler, eine verlässliche Unterstützung seitens der Landesregierung – Bedingungen, die eine Fortführung und Weiterentwicklung der bisherigen Inklusion ermöglichen.
Seit Beginn des Schuljahres 1997/98 werden an der Käthe-Kollwitz-Realschule Schülerinnen und Schüler mit und ohne sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf gemeinsam unterrichtet. Das Gemeinsame Lernen gehört nunmehr seit über 20 Jahren zum festen Bestandteil des Schullebens der KKS.
In der Regel werden an der „Käthe“ Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf, deren vorrangiger Förderschwerpunkt im Bereich Lernen oder Geistige Entwicklung liegt, aufgenommen. Selbstverständlich besuchen aber in allen Jahrgängen auch Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf im Bereich körperliche und motorische Entwicklung, Sprache, Emotionale und soziale Entwicklung, Hören und Kommunikation sowie Schülerinnen und Schüler mit einer sog. Autismus-Spektrums-Störung die Schule.
Die Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf werden auf der Grundlage der Richtlinien und Lehrpläne der allgemeinen Schule unterrichtet. Im Förderschwerpunkt Lernen und Geistige Entwicklung erfolgt eine zieldifferente Beschulung, d. h. dass neben den Vorgaben der allgemeinen Schule immer die individuellen Bedürfnisse und Bedarfe des Schülers/der Schülerin im Vordergrund stehen und nicht das Erreichen von vorgegebenen Kompetenzerwartungen für eine ganze Lerngruppe. Für diese Schülerinnen und Schüler ergeben sich differenzierte Vorgaben bezüglich der Leistungsanforderungen und der Leistungsbewertung sowie andere Schulabschlüsse, die diese Schülerinnen und Schüler erreichen können.
Dementsprechend ergeben sich Konsequenzen für das gemeinsame Lernen (innere Differenzierung) sowie den Förderunterricht (äußere Differenzierung).
Rückblickend auf die vergangenen gut 20 Jahre der Beschulung von Kindern und Jugendlichen mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf an der „Käthe“ kann gesagt werden, dass das Ziel der wohnortnahen Beschulung und der sozialen Integration im schulischen Umfeld und im Wohnumfeld der Kinder verwirklicht worden ist.
Alle Schülerinnen und Schüler mit und ohne sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf haben bis jetzt in vielerlei Hinsicht von diesem Vorhaben profitiert. Toleranz, Rücksichtnahme gegenüber Schwächeren, Wertschätzung, die Bereitschaft ‚anders sein’ zu akzeptieren, das alles zeigt sich an der KKS täglich ganz selbstverständlich im Umgang miteinander. Die Kinder und Jugendlichen erfahren, dass es viele gemeinsame Interessen, gemeinsames Erarbeiten und auch gemeinsame Freude gibt. So wird der zusätzliche Unterstützungsbedarf nicht geleugnet, er verliert aber angesichts dieser Erfahrungen an Bedeutung. Dieser tägliche Umgang mit Menschen, die zusätzliche Hilfen benötigen, führt dazu, dass auch alle anderen Kinder und Jugendlichen mit ihren eigenen Stärken und Schwächen verantwortungsbewusster umgehen können. So entsteht eine gegenseitige Akzeptanz – vor allem durch den gemeinsamen schulischen Alltag.
Die Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf sind in jeder Jahrgangsstufe einer bzw. zwei Klassen zugeordnet. In der Regel wird eine Klassenstärke von insgesamt 28 Lernenden, davon vier bis sechs Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf, nicht überschritten.
Das gemeinsame Lernen findet in Abhängigkeit von den Vorgaben der Lehrpläne der Realschule und den organisatorischen Möglichkeiten in den einzelnen Jahrgängen statt. Zur Zeit betrifft dies beispielsweise die Fächer Mathematik, Deutsch, Biologie, Erdkunde, Geschichte, Religion, Politik, Musik, Textiles Gestalten, Kunst und Sport. Ein gemeinsames Lernen in Englisch findet meistens epochal in Projekten statt. Sowohl die Auswahl der Fächer als auch die Anzahl der gemeinsamen Unterrichtsstunden hängen von verschiedenen Voraussetzungen ab. Prioritätsgrundlage sind die Kinder selbst. Abhängig von ihren Voraussetzungen wird entschieden wie ihre individuelle Förderung am besten erreicht werden kann. So wird nicht in jedem Fall immer das gemeinsame Lernen der äußeren Differenzierung vorgezogen.
Die Anzahl der gemeinsamen Unterrichtsstunden variiert in den jeweiligen Jahrgängen, was größtenteils mit den zunehmenden Anforderungen des Unterrichtsstoffes in den höheren Klassen der Realschule zusammenhängt.
Realschullehrerinnen und Lehrer sowie Förderschulkräfte unterrichten im Team. Unterstützt werden sie dabei von drei BFD-lern (Bundesfreiwilligendienst), die für die Betreuung der Kinder und Jugendlichen im Gemeinsamen Lernen von der Stadt eingestellt werden.
Die Schülerinnen und Schüler arbeiten an einem gemeinsamen Thema, aber mit unterschiedlichen Zielsetzungen und auf unterschiedlichem Niveau. Die individuellen Möglichkeiten jedes einzelnen Kindes stellen die Grundlage für die Unterrichtsplanung dar. Dies wird beispielsweise durch differenzierende Arbeitsaufträge, Arbeit an Stationen oder Wochenplanarbeit realisiert. Auch fächerübergreifendes Lernen und Handlungsorientierung unterstützen hier die individuellen Lernprozesse. Dadurch wird jedes Kind befähigt seine vorhandenen Möglichkeiten zu erkennen und sie der Lerngruppe zur Verfügung zu stellen. Es gewinnt auch die schwächste Schülerin bzw. der schwächste Schüler eine hohe Motivation in der Erfahrung, dass jedes Kind etwas zum gemeinsamen Lernvorhaben beitragen kann.
Da in vielen Stunden sowohl eine sonderpädagogische Lehrkraft als auch eine Realschulkollegin bzw. ein Realschulkollege den Unterricht durchführen, stehen allen Schülerinnen und Schülern der Klasse zwei Ansprechpartner zur Verfügung. Dieses Teamteaching findet in unterschiedlichen Formen statt. Es kann beispielsweise so aussehen, dass sich Förderschul- und Realschullehrer/in in verschiedenen Unterrichtsphasen abwechseln, so dass mal der/die eine, mal der/die andere individuelle Hilfen geben kann. Oder ganze Unterrichtsreihen werden abwechselnd einerseits durch den Fachlehrer bzw. die Fachlehrerin, andererseits durch die Förderpädagogin bzw. den Förderpädagogen gestaltet und durchgeführt. Insgesamt wird versucht ein Lernklima zu schaffen, in dem sich alle Schüler*innen orientieren, zieldifferent und individuell arbeiten und sich wohl fühlen können.
Neben dem gemeinsamen Lernen werden die Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf auch in Kleingruppen unterrichtet. Dieser sog. Förderunterricht beinhaltet z. Zt. beispielsweise die Fächer Mathematik, Deutsch, Englisch oder auch z.B. Geschichte, Hauswirtschaft und Werken. Die Anzahl der jeweiligen Stunden variiert in den einzelnen Jahrgängen.
Im Rahmen dieser äußeren Differenzierung wird durch ein sehr individuelles Lernen jedes Kind seinen Möglichkeiten und Fähigkeiten entsprechend gefördert. Gearbeitet wird nach einem eigenen Wochenplan, der gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern besprochen und kontrolliert wird und ein individuelles Lerntempo ermöglicht.
In diesen Differenzierungsgruppen können besondere Lernbedürfnisse der Schülerinnen und Schüler mit dem Förderschwerpunkt Lernen oder Geistige Entwicklung aufgegriffen werden - wie beispielsweise die Fortführung eines Leselehrgangs, lebenspraktische Orientierung oder das Training mathematischer Grundfertigkeiten.
Die Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf Lernen oder Geistige Entwicklung gehören, wie alle anderen Förderschülerinnen und -schüler, einer Stammklasse der Realschule an, werden im Gemeinsamen Lernen jedoch zieldifferent beschult. Unterrichtsinhalte und Schulziele richten sich nach den Lehrplänen der allgemeinen Schule und nach den im individuellen Förderplan festgelegten Zielen jedes Einzelnen.
Im Gemeinsamen Lernen an der Käthe-Kollwitz-Schule erwerben die Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf, die zielgleich unterrichtet werden, die Schulabschlüsse der allgemeinen Schule. Zieldifferent unterrichtete Schülerinnen und Schüler können einen Abschluss im Bildungsgang Lernen oder Geistige Entwicklung sowie einen Hauptschulabschluss nach Klasse 9 (HS 9) erlangen.
Die Schülerinnen und Schüler, die zieldifferent unterrichtet werden, erhalten Zeugnisse in Form von Lernentwicklungsberichten, in denen ihre individuellen Lernfortschritte und Fähigkeiten dokumentiert werden. Noten werden, dem Schulgesetz folgend, erst ab Klasse 10 für Schüler, die auf den HS 9 vorbereitet werden, vergeben.
Ein pädagogischer Schwerpunkt der Arbeit liegt ab der Klasse 8 in der intensiven Berufsvorbereitung der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf.
In Zusammenarbeit mit dem Verein „Lernen fördern“ und seiner Einrichtung des „Albert-Heitjans- Hauses“ in Emsdetten durchlaufen die Schülerinnen und Schüler der Klasse 8 eine „Berufspraxiswoche“ außerhalb des regulären Schullebens in den Räumen von ,,Lernen fördern". Gemeinsam mit den Förderschullehrerinnen und Mitarbeiterinnen von „Lernen fördern“ setzen sich die Schülerinnen und Schüler in dieser Woche intensiv mit ihren Berufswünschen auseinander, finden eigene Stärken heraus, sammeln verschiedene berufspraktische Erfahrungen (gärtnerische, hauswirtschaftliche und handwerkliche), führen eine Betriebsbesichtigung durch und machen ein Tagespraktikum in einem Emsdettener Betrieb.
In der neunten und zehnten Klasse durchlaufen alle zieldifferent unterrichteten Schülerinnen und Schüler in jedem Halbjahr ein drei- bzw. vierwöchiges Praktikum (im Frühjahr Verlängerung um eine Woche möglich) in ortsansässigen Betrieben. Diese Praktika werden mithilfe von Praktikumsmappen, Wandzeitungen und Zeitungsartikeln intensiv nachbearbeitet. Die Durchführung eines Langzeitpraktikums an einem Tag in der Woche im Anschluss an ein erfolgreich absolviertes Praktikum ist ebenfalls möglich.
Hinzu kommt eine enge Kooperation mit verschiedensten Betrieben in Form von Besichtigungen zur Bildung eines umfassenden Hintergrundwissens bei den Schülerinnen und Schülern.
Die Zusammenarbeit zwischen „Lernen fördern“ und Schule ermöglicht eine Vor- und Nachbereitung des ersten Einstiegs in das Erwerbsleben. Die Mitarbeiterinnen des „Albert-Heitjans-Hauses“ kommen einmal wöchentlich für die zweistündige Berufsvorbereitung in die Schule. Sie bieten den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, sich über Erfahrungen und mögliche Schwierigkeiten auszutauschen und geben Hilfestellungen und Unterstützung bei der Praktikumsplatzsuche.
Zielsetzung ist hier zum einen die realistische Einschätzung der persönlichen Möglichkeiten und auch die Wahrnehmung der eigenen Grenzen hinsichtlich der Berufswahl. Zum anderen steht ein Kennenlernen unterschiedlicher Arbeitsfelder sowie die Aneignung der erforderlichen Fähigkeiten seitens der Schülerinnen und Schüler im Mittelpunkt. Dazu gehört auch das Schreiben von Lebensläufen oder Bewerbungen sowie die Bearbeitung des „Berufswahlpasses“ (= Arbeitsmappe, herausgegeben von der Bundesagentur für Arbeit).
Im Rahmen von KAoA (Landesprogramm NRW: Kein Abschluss ohne Anschluss) nehmen alle Schülerinnen und Schüler in Klasse 8 an einer Potentialanalyse teil, um individuelle Fähigkeiten und Stärken herauszufinden. Darüber hinaus findet in Klasse 8 für alle Schülerinnen und Schüler ein eintägiger "Girls´und Boys´ Day" statt. Zieldifferent unterrichtete Schülerinnen und Schüler erhalten in der Klasse 8 das Angebot, an einer dreitägigen trägergestützten Berufsfelderkundung in Steinfurt bei ,,Lernen fördern" teilzunehmen. Dort lernen die Schülerinnen und Schüler nach ihren Interessen drei unterschiedliche Berufsfelder kennen und arbeiten in verschiedenen Werkstätten mit geschulten Anleiterinnen und Anleitern zusammen (z.B. Holzwerkstatt, Gartenbau, Metallwerkstatt oder Hauswirtschaft).
In der Klasse 9 oder 10 erhalten alle Schülerinnen und Schüler der Fördergruppe die Möglichkeit, die Praxiskurse bei ,,Lernen fördern" in Steinfurt durchzuführen. Sie entscheiden sich für ein Berufsfeld, in dem sie intensiv drei Tage arbeiten, um ihre beruflichen Kenntnisse zu erweitern und eine weitere Orientierung für die spätere Berufswahl zu erhalten.
Für Schülerinnen und Schüler mit einer Schwerbehinderung und/oder sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf in den Förderschwerpunkten geistige Entwicklung, körperliche und motorische Entwicklung, Hören und Kommunikation, Sehen, Sprache und einer diagnostizierten Autismus-Spektrums-Störung bieten zudem im Rahmen von KAoA- STAR (Kein Abschluss ohne Anschluss - Schule trifft Arbeitswelt) die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Integrationsfachdienstes (IFD) des Kreises Steinfurt zusätzliche Angebote für einen gelingenden Übergang von der Schule in den Beruf speziell für diesen Personenkreis an.
Des Weiteren haben die Förderschülerinnen und -schüler der Jahrgänge 9 und 10 die Möglichkeit, in einer unserer Schülerfirmen mitzuarbeiten. Sie können zwischen der Bügelfirma „Faltenfrei“ und der Firma „Schüler kochen für Schüler“ wählen.
Neben diesen speziell für die Förderschülerinnen und -schüler eingerichteten Schülerfirmen können alle Schülerinnen und Schüler der Klassen 9 und 10 der Käthe-Kollwitz-Schule im Pausen-„Stehcafé“ und der AG „Natur & Garten“ arbeiten und in diesen Teams spezielle Erfahrungen hinsichtlich ihres zukünftigen Berufsfeldes erwerben.